Warum “Mindset” für mich entscheidend ist

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Warum “Mindset” für mich entscheidend ist

Verhalten, Vorgehensweisen und Entscheidungen werden durch das Mindset bestimmt. Und damit ist das Mindset auch ein wichtiger Faktor für den Erfolg oder Misserfolg. Trotzdem (oder vielleicht auch gerade deshalb) scheint der Begriff „Mindset“, vor allem im Zusammenhang mit Agilität („das Agile Mindset“) verbrannt und geächtet zu sein.

Vor ein paar Jahren noch redeten nur sehr wenige Personen in meinem Umfeld über Mindset. Im Vordergrund standen agile Methoden und Frameworks. Dann ist irgendetwas passiert. In den letzten ein bis zwei Jahren bin ich an kaum einer Konferenz, keinem Barcamp und keinem Scrumtisch vorbeigekommen, bei dem nicht das Thema „Mindset“ auf dem Plan stand. Hitzige Diskussionen über „das Mindset“ auf Twitter und in anderen sozialen Medien sind an der Tagesordnung.

Mich persönlich beschleicht mittlerweile auch ein schlechtes Gefühl, wenn ich das Mindset thematisiere. Dabei ist es mir immer noch ein Herzensthema. Wie eingangs erwähnt, bin ich der Meinung, dass unser Mindset entscheidend ist. Es eröffnet Möglichkeiten oder schränkt ein, es lässt uns aktiv gestalten oder passiv aufnehmen, es bewirkt Veränderung oder bewahrt Altbewährtes.

Ich kann aber auch die kritischen Stimmen verstehen. Viel zu oft wird „das falsche Mindset“ als Grund dafür herangezogen, dass ein Unternehmen an der Einführung agiler Arbeitsweisen scheitert. Wenn das Mindset nicht da ist, kann man halt nichts machen. Dann braucht man sich auch nicht zu verändern. Und wenn man dann Probleme bekommt, kann man es ganz leicht all denjenigen in die Schuhe schieben, die ja einfach das falsche Mindset haben… Mit etwas Glück bleibt es dabei, aber es gibt auch Fälle, bei denen Berater und Consultants dann den Auftrag bekommen, das Mindset zu schulen. Übergriffige Gehirnwäsche auf Rechnung sozusagen.

Was bedeutet Mindset für Dich?

Ein großes Problem in der Debatte besteht schon allein darin, dass Mindset ein abstrakter Begriff ist. Wir können nicht sicher sein, dass unser Gesprächspartner das gleiche darunter versteht, wie wir selbst. Das führt zu problematischer Kommunikation. Wir reden aneinander vorbei, weil wir davon ausgehen, dass unser Gegenüber die gleiche Idee vom Mindset hat wie wir. Aber das ist oftmals nicht der Fall.

Für mich ist Mindset ein Dreiklang aus Fühlen, Denken und Handeln. Diese drei Aspekte bauen aufeinander auf und sind untrennbar miteinander verwoben.

Wenn wir Menschen in eine ungewohnte und neuartige Situation kommen, dann werden unsere Wahrnehmungen von einem sehr alten Teil des Gehirns als erstes verarbeitet. Das limbische System nimmt eine erste Bewertung vor. Hier wird entschieden, wie bedrohlich wir die Situation empfinden. Je nachdem, wie diese Erstbewertung ausgefallen ist, werden Emotionen in uns ausgelöst. Diese Emotionen haben uns evolutionär gute Dienste erwiesen und unser Überleben gesichert. In der heutigen Welt ist unser Leben seltener bedroht, unser Gehirn funktioniert aber immer noch so. Bei Bedrohung, Gefahr oder Unsicherheit werden Stresshormone freigesetzt, die dann zu Flucht, Angriff, Anpassung oder Rückzug (Freeze) führen können. Der moderne Mensch läuft nicht mehr davon, wie unsere Vorfahren, sondern er greift auf Handlungsweisen und Vorgehensweisen zurück, die ihm in der Vergangenheit hilfreich waren.

Wenn die Situation eher neutral oder positiv bewertet wird, dann werden die Wahrnehmungen an den präfrontalen Kortex geschickt. Das ist der Teil unseres Gehirns, in dem unser Verstand, unsere Ratio, sitzt. Hier können neue Reaktionen und Möglichkeiten durch die Auseinandersetzung mit dem Kontext entstehen. Hier können auch externe Faktoren und Querverbindungen einbezogen werden.

Während die limbische Bewertung sehr schnell erfolgt, ist der rationale Verstand langsamer. Daniel Kahnemann beschreibt das als System eins und zwei in seinem Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“.

Als Folge der Prozesse in unserem Kopf entsteht dann Verhalten. Je nachdem, wie unser limbisches System die Situation einschätzte und ob wir unseren präfrontalen Kortex mit einschalten konnten, werden wir auf die Situation reagieren. Dadurch entsteht beobachtbares Verhalten.

Für mich gehören diese drei Faktoren Fühlen (limbisches System, emotionale Bewertung), Denken (präfrontaler Kortex, bewusstes Denken) und Handeln (Verhalten, Reaktion) untrennbar zusammen.

Wenn Denken, Fühlen und Handeln nicht passen

In den Chefetagen der Unternehmen sitzen in der Regel sehr clevere und intelligente Menschen. Die meisten sind sehr gut informiert und wissen sehr gut über die Ereignisse in der Welt Bescheid. Komplexität, Unsicherheit und Disruptionen sind ihnen bekannt. Sie verstehen, dass Geschäftsmodelle im Zuge der Digitalisierung gefährdet sind und dass sich Paradigmen der Arbeitswelt grundlegend verändern. Hier spielt der präfrontale Kortex eine Rolle.

Wir kennen aber auch viele Beispiele von intelligenten Menschen, die sich in Situationen, in denen es darauf ankam, eher defensiv und alles andere als agil verhalten haben. Die statt der Komplexität mit Selbstorganisation und kurzen Iterationen mit schnellen Feedbackzyklen zu begegnen durch Anweisung und Kontrolle, Entscheidungen an der Spitze und detailliert ausgearbeiteten und strikt ausgeführten Plänen reagiert haben. Und das, obwohl sie zuvor noch auf einer Betriebsversammlung die Notwendigkeit agiler Vorgehensweisen gepriesen haben. Das Denken passt, die Verhaltensweisen nicht. Wahrscheinlich, weil die Emotionen auch nicht zum Denken gepasst haben. Die Situation könnte als so bedrohlich empfunden worden sein, dass auf Verhaltensweisen zurückgegriffen wurde, die als bekannt und hilfreich abgespeichert waren. Und das sind in der Regel Verhaltensweisen, die über Jahre angewendet und praktiziert wurden.

Die Arbeit am Mindset

„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit“, schrieb Viktor Frankl. Arbeit am Mindset bedeutet für mich, diesen Reiz so auszudehnen, dass die Emotionen und die rationalen Überlegungen beide Einfluss auf die Reaktion haben und zueinander passen.

Dies erfordert harte Arbeit, viel Selbstreflexion und die Unterstützung durch Coaches, die mir helfen, meine blinden Flecken zu erkennen und meinen Handlungsspielraum zu erhöhen. Dies empfinde ich als sehr wichtig, denn je größer der Raum zwischen Reiz und Reaktion wird, desto mehr Handlungsmöglichkeiten stehen mir zur Verfügung und meine Flexibilität steigt. Die Bewertung der Situation auf den limbischen Ebenen ist nicht von heute auf morgen zu verändern. Aber es gibt Mittel und Wege, das Gehirn umzutrainieren, wenn man am Ball bleibt.

Wenn das Mindset nicht stimmig ist

Zurück zum Ausgangspunkt. Was machen wir nun aus der Aussage, dass „das Mindset nicht stimmt“? Ich kann hier nur für mich sprechen. Die Aussage, dass jemand anderes ein „falsches Mindset“ hat, finde ich untragbar und zeugt nicht von viel Respekt. Das Mindset wird nicht ohne Grund so sein, da Menschen sich immer im Rahmen ihres Kontexts sinnvoll verhalten. Aus diesem Grund glaube ich, dass es zwar kein „falsches“ aber ein „nicht hilfreiches“ Mindset geben kann. Für agile Arbeitsweisen benötigt man Fähigkeiten, mit Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit zurechtzukommen. Wenn diese aber durch die emotionale Bewertung als Bedrohung angesehen werden, dann werden die Reaktionen entsprechend kontraproduktiv für agiles Arbeiten aussehen. Das Mindset ist also nicht hilfreich für den Kontext.

Allerdings würde ich an dieser Stelle nicht das Mindset der Menschen hinterfragen, sondern vielmehr die herrschende Organisationskultur. Ändert sich diese, dann erhöht sich auch die Chance, dass Menschen ihr Mindset anpassen. Nicht, indem sie das alte Mindset wegwerfen oder ein komplett neues Mindset anschaffen, sondern indem sie Anpassungen vornehmen. Anpassungen, die zu den neuen Rahmenbedingungen passen (Inspect & Adapt).

Daher sollte das Schaffen von Strukturen und einer förderlichen Kultur meiner Meinung nach im Fokus stehen. Niemand sollte sich das Recht herausnehmen, das Mindset anderer zu kritisieren oder verändern zu wollen. Um agiles Arbeiten zu ermöglichen kann die Führung aber Rahmen schaffen, die ein Mindset unterstützen. Und sie können änderungsfreudige Menschen dahingehend unterstützen, dass sie ihnen entwicklungsförderndes Coaching anbieten, das freiwillig in Anspruch genommen werden kann. Gegen den Willen kann man kein Mindset verändern. Daher sollten die engagierten Coaches und Berater stattdessen lieber die Organisation dabei unterstützen, passende Strukturen und Rahmenbedingungen zu etablieren.

Das Mindset (=Denken, Fühlen, Handeln) ist meiner Meinung nach immer noch der Schlüssel zum Erfolg. Denn eine solche Organisationskultur und Strukturen müssen ja auch Sponsoren haben, die ein bestimmtes Verhalten zeigen (was wiederum Folge aus Fühlen und Handeln ist). Daher werde ich auch weiterhin vom Mindset sprechen und seine Wichtigkeit betonen.

Was versteht ihr unter „Mindset“? Teilt ihr meine Gedanken? Gibt es vielleicht einen Begriff dazu, der noch nicht so verbrannt ist? Ich freue mich auf eure Gedanken zu dem Thema.

 

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